Return to Sports nach Knieverletzungen – Interview mit Dr. Philipp Mayer
08. Dez, 2024Nicht nur im Profi-, sondern auch im Amateursport stellt sich nach einer komplizierteren Knieverletzung die Frage, ab wann wieder trainiert werden kann, ohne dass es zu einer erneuten Verletzung kommt. Welche Rolle dabei spezielle Programme und Testungen spielen, haben wir im Interview mit dem Knieexperten Dr. Philipp Mayer besprochen.
„Wann kann ich wieder spielen?“ ist laut Dr. Mayer oft die erste Frage, die Sportlerinnen und Sportler nach einer Knieverletzung umtreibt. Diese Frage lässt sich aber meist nicht sofort beantworten, da sie von vielen Faktoren abhängt. Ärzte sollten sich daher nicht zu einer vorschnellen Prognose hinreißen lassen.
Das Wichtigste ist für Dr. Mayer, die Patienten erst einmal zu versorgen, denn gerade bei Kreuzbandrupturen muss in der Regel operiert werden. Danach folgt eine längere Rehaphase. Letztendlich ist der Patient erst dann wieder spielfähig, wenn er muskulär und konditionell wieder vollständig fit ist. Ansonsten ist die Gefahr einer erneuten Verletzung groß, was besonders bei Profis sehr dramatisch sein kann.
Im Durchschnitt dauert die Reha nach einem Kreuzbandriss etwa 8 bis 9 Monate. In dieser Phase kann teilweise schon wieder trainiert werden, allerdings immer flankiert von speziellen Rehamaßnahmen und Trainingsprogrammen, um das Risiko einer erneuten Verletzung zu reduzieren.
Nach den Erfahrungen von Dr. Mayer ist es jedoch nicht sinnvoll, in der Rehaphase mit bestimmten Zeiträumen oder festen Schemata zu arbeiten. Sinnvoller sei es, in dieser Phase z.B. mit Testungen zu arbeiten, die Aufschluss über den individuellen Zustand von Sportlern geben und aufzeigen können, wie fit sie bereits sind. Dann kann objektiv beurteilt werden, ob Muskulatur und Kondition wieder soweit hergestellt sind, dass wieder gespielt werden kann.
„Was die Testungen betrifft, hat sich in der Wissenschaft sehr viel getan“, erklärt Dr. Mayer. Mittlerweile gibt es sehr gute Return-To-Sports- bzw. RTS-Programme, die wissenschaftlich validiert sind. In der Orthopädischen Klinik Markgröningen arbeitet Dr. Mayer zum Beispiel mit einem Programm, das die VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft) für Profisportler entwickelt hat. Dieses Programm versucht, möglichst viele Aspekte der Fitness abzudecken, zum Beispiel Messungen der Kraft, Schnelligkeit, Agilität, Mobilität oder Stabilität. Die Testergebnisse werden dann entweder mit den Werten des gesunden Beins oder mit Durchschnittswerten von Sportlern verglichen. Auf diese Weise lässt sich gut erkennen, welche Fortschritte der Patient macht.
Tipp: Entscheidungshilfen für Return to Competition finden Sie hier auf der Website der VBG.
Dr. Mayer sieht viele Patienten, bei denen die Kraftwerte in den ersten sechs Monaten schon sehr gut sind, weil sie viel an Geräten trainieren. Werden aber andere Parameter wie Agilität, Mobilität und Schnelligkeit getestet, zeigen sich oft deutliche Defizite. Gerade diese Fähigkeiten sind aber für viele Sportarten wie Fußball oder Handball entscheidend. Diese Defizite können dann durch ein spezielles Training ausgeglichen werden.
Das Besondere an den RTS-Programmen ist, dass durch die Testungen das Training kontinuierlich angepasst werden kann und es manchmal sogar möglich ist, RTS früher als geplant zu erreichen. Dr. Mayer berichtet von einem hochklassigen Hockeyspieler, der dank der Testungen und des entsprechenden Trainings schneller als erwartet wieder auf Wettkampfniveau war. Das ist es, was ein solches Programm im besten Fall leisten kann: einem Sportler eine frühere Rückkehr in den Sport ermöglichen!
Derzeit sind diese Programme und Tools jedoch hauptsächlich für den Profisport verfügbar. Sie können zwar auch im ambitionierten Amateursport eingesetzt werden, aber derzeit nur als Selbstzahlerleistung. Langfristig, so Dr. Mayer, sollte es aber das Ziel sein, solche Programme auch für den Breiten- bzw. Amateursport verfügbar zu machen.
Wie geht man mit den Ängsten vor einer neuen Verletzung um, die viele genesene Sportler umtreiben? Auch hier können laut Dr. Mayer Testungen helfen, denn es ist sehr individuell, wie Sportler mit der Wiederaufnahme des Sports umgehen. Manche haben keine Probleme, andere brauchen viel Unterstützung. Im Rahmen des Programms gibt es einen validierten psychologischen Fragebogen, der versucht, dies herauszufinden. Leider gibt es aber derzeit noch keine festen Strukturen, die sich um Sportler kümmern, die in dieser Hinsicht Hilfe benötigen.
Was die Prävention betrifft, so gibt es bereits einige Programme, vor allem in Sportarten, die häufig zu Knieverletzungen führen. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ein präventives neuromuskuläres Training diese Verletzungen deutlich reduzieren kann. Dr. Mayer weist darauf hin, dass bereits kurze, aber häufige Trainingseinheiten beim Aufwärmen vor einem Spiel helfen können, Verletzungen zu vermeiden.
Insgesamt sollte mehr Wert auf Prävention gelegt werden. Derzeit wird leider noch zu oft erst nach einer Verletzung an Prävention gedacht. Besser wäre es, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, bevor es überhaupt zu einer Verletzung kommt. Dr. Mayer empfiehlt, die Präventionsprogramme z.B. der Fifa, der ESK, oder der Deutschen Kniegesellschaft zu nutzen.
Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Philipp Mayer von der Orthopädischen Klinik Markgröningen für dieses Interview.
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