Rolle der IPK in der leitliniengetreuen Prophylaxe venöser Thromboembolien bei Hüft- und Knieoperationen

09. Sep, 2024

Venöse Thromboembolien (VTE) sind nach dem Myokardinfarkt und dem Schlaganfall die dritthäufigste akute kardiovaskuläre Erkrankung in Europa. Unter dem Begriff VTE werden zwei Ereignisse zusammengefasst: die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenembolie. Schätzungen zufolge ereignen sich in Europa pro Jahr durchschnittlich 1 bis 2 Fälle pro 1.000 Personen. [1] Nach Hüft- und Kniegelenkersatz-OPs ohne Prophylaxe ist die Zahl der VTE-Ereignisse besonders hoch, so erleiden z.B. im Durchschnitt 40-60% der Patienten, die sich diesen Operationen ohne Prophylaxe unterziehen, eine tiefe Beinvenenthrombose. [2]

Das erfahren Sie in diesem Beitrag:

  • Wie entstehen venöse Thromboembolien?
  • Welche leitliniengetreuen Optionen gibt es bei der VTE-Prophylaxe?
  • Physikalische Prophylaxe: Was ist besser, IPK/IIK oder Kompressionsstrümpfe?

Wie entstehen venöse Thromboembolien?

Ursache für VTE ist das unglückliche Zusammentreffen dreier Faktoren:  eine erhöhte Gerinnungsneigung (Hyperkoagulabilität), ein verlangsamter Blutfluss (Stase) und eine Schädigung der Gefäßwand (Endothelschädigung). Nach operativen Eingriffen an Knie oder Hüfte besteht ein noch höheres Risiko, denn durch die Immobilität bzw. Ruhigstellung der unteren Extremitäten wird der Blutfluss zusätzlich verlangsamt, die Gefahr für die Entstehung eines Blutgerinnsels steigt damit weiter an. Diese Zusammenhänge sind in der sogenannten Virchow-Trias dargestellt.

Abb.: Die Virchow-Trias beschreibt das Zusammenwirken der drei wichtigsten ursächlichen Faktoren bei der Entstehung einer Thrombose bzw. Phlebothrombose.

Das Toolkit zur VTE-Prophylaxe bei Operationen und Verletzungen an der unteren Extremität

Die aktuelle AWMF-S3-Leitlinie zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) [2] hat die Evidenz zusammengetragen. Es wurden drei verschiedene übergreifende Maßnahmen definiert:

  1. Basismaßnahmen (Frühmobilisation, Bewegungsübungen, Anleitung zu Eigenübungen) sind bei allen Operationen und Verletzungen der unteren Extremität indiziert (Evidenzlevel A).
  2. Medikamentöse Maßnahmen (Heparine etc.) werden ebenfalls bei allen OPs und Verletzungen der unteren Extremität empfohlen (Evidenzlevel A).
  3. IPK sollte angewendet werden, wenn Kontraindikationen gegen eine medikamentöse Prophylaxe vorliegen (Evidenzlevel A).
  4. Physikalische Maßnahmen (Thrombosestrümpfe und IPK) können zusätzlich zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden (Evidenzlevel 0). [2]

Physikalische Maßnahmen: IPK/IIK versus Kompressionsstrümpfe zur Thromboseprophylaxe

Die Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK) bzw. die Intermittierende Impulskompression (IIK), eine Weiterentwicklung der IPK mit schnellerem Impulsaufbau, erhöht die Blutströmungsgeschwindigkeit und kann so einer Thrombose vorbeugen. Die IPK bzw. IIK ist lt. der AWMF-S3-Leitlinie „eine wirksame Methode zur Thromboseprophylaxe“, hier die Ergebnisse der Analysen im Einzelnen:

  • Das relative Risiko für das Auftreten einer Beinvenenthrombose beträgt 0,43 (95%CI 0,36-0,52) bei Behandlung mit IPK/IIK gegenüber 0,61 (95% CI 0,39-0,93) bei Behandlung mit Kompressionsstrümpfen (MTPS).
  • Das relative Risiko für das Auftreten einer Lungenembolie beträgt 0,48 (95% CI 0,33-69) bei Behandlung mit IPK/IIK gegenüber 0,64 (95% CI 0,21 – 1,95) bei Behandlung mit MTPS.
  • Die Behandlung mit IPK/IIK ist im Vergleich zu moderner medikamentöser Prophylaxe genauso effektiv bei einem geringeren Blutungsrisiko von 0,41 (95% CI 0,25-0,65).
  • Die Kombination von IPK/IIK und medikamentöser Prophylaxe senkt das Risiko für das Auftreten einer tiefen Venenthrombose weiter auf 0,54 (95% CI 0,32-0,91) und einer Lungenembolie auf 0,62 (95% CI 0,13-3,02) gegenüber der Behandlung mit IPK/IIK alleine.
  • Es konnten bei keinem Vergleich ein Unterschied in der Mortalität festgestellt werden. [2].

Kompressionsstrümpfe zur Prophylaxe

Bis heute werden MTPS zur Prophylaxe eingesetzt, auch im Krankenhaus. Es gibt jedoch eine Reihe von Kontraindikationen, die beachtet werden müssen, u.a. der Verdacht auf eine pAVK oder eine nachgewiesene pAVK. Darüber hinaus ist die Datenlage zum Einsatz von MTPS unsicher. Nach Ansicht der Leitliniengruppe ist der Arbeitsdruck von MTPS zu gering, um den Blutfluss tatsächlich so zu beschleunigen, wie es erforderlich wäre. Zudem wurde das An- und Ausziehen der MTPS als umständlich beschrieben. [2]

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Quellenangaben

[1] Ohlmeier, C., Leverkus, F., Kloss, S., Basic, E. & Bleß, H. (2018). Schätzung der Inzidenz venöser Thromboembolien (VTE) anhand verschiedener Routinedaten des Gesundheitswesens in Deutschland. Zeitschrift für Evidenz Fortbildung und Qualität Im Gesundheitswesen, 139, 46–52. https://doi.org/10.1016/j.zefq.2018.11.005

[2] S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE), 2. komplett überarbeitete Auflage, Stand: 15.10.2015; https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/003-001

[3] Pauschert, R. (2019). Thromboembolieprophylaxe – Schritt für Schritt. Orthopädie und Unfallchirurgie Up2date, 14(02), 127–131. https://doi.org/10.1055/a-0602-6137

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