Ringbandverletzungen im Klettersport: Interview mit dem Sportmediziner und Kletterexperten Prof. Dr. Schöffl
03. Feb, 2025Prof. Dr. med. Volker Schöffl, führender Kletterexperte, Sportorthopäde und Mannschaftsarzt der deutschen Sportkletter-Nationalmannschaft, gibt im Interview Einblicke in die medizinischen Herausforderungen des Klettersports. Von den häufigsten Verletzungen, wie Ringbandrupturen und Überlastungsschäden, über moderne Therapiemethoden bis hin zu interessanten biomechanischen Effekten nach der Genesung – jede Klettersportart bringt unterschiedliche Beschwerden und Verletzungen mit sich. Außerdem haben wir ihn zum Stand der Diskussion über die olympische Zukunft dieser vielseitigen Sportart befragt.
Auf die Frage, was alles unter den Begriff Klettersport fällt, erklärt Prof. Schöffl, dass es sehr viele verschiedene Klettersportarten gibt, darunter Bergsteigen, Alpinklettern, Sportklettern, Indoor-Klettern, Wettkampfklettern und Bouldern. Jede dieser Sportarten hat ihre eigenen spezifischen Verletzungsmuster und Überlastungserscheinungen.
Die häufigsten Verletzungen
Nach wie vor ist die Außenbandruptur die häufigste Verletzung über alle Klettersportarten hinweg. Daneben gibt es aber spezifische Verletzungen und Beschwerden, die, je nach Kletterdisziplin, unterschielich häufig auftreten. Beispiele hierfür sind Ringbandverletzungen, Sehnenscheidenentzündungen oder Kapselverletzungen der Finger. Diese Besonderheiten bei den verschiedenen Klettersportarten unterscheidet laut Prof. Schöffl den Klettersport von vielen anderen Sportarten.
Abb.: Unter "Go to Youtube" können Sie das komplette Interview als Video ansehen.
Meist konservative Behandlung bei Ringbandverletzungen
Ringbandverletzungen sind hier besonders interessant, da sie in 90 bis 95 Prozent der Fälle konservativ behandelt werden können. Dies gilt vor allem, wenn nur ein Ringband betroffen ist, oft aber auch bei mehreren verletzten Fingern. Prof. Schöffl schränkt aber ein, dass eine konservative Therapie nur dann möglich ist, wenn die Sehne nicht zu weit vom Knochen entfernt ist und keine Versteifung des Fingers vorliegt. Sollte der Finger in Beugestellung versteift sein, ist ein operativer Eingriff notwendig, da der Patient sonst im Alltag kaum noch greifen kann. In diesem Fall wird der Finger zunächst mit einer Quengelschiene in die Streckung gebracht, bevor die Kapsel operativ gelöst und eine Ringbandplastik durchgeführt wird.
Die konservative Therapie besteht in der Anlage von Klammern für sechs bis acht Wochen. Diese üben von oben und unten axialen Druck auf das Ringband aus, so dass sich die Sehnenstümpfe wieder annähern und zusammenwachsen können. Danach folgt eine mehrwöchige Trainingsphase. Im Spitzensport beträgt die gesamte Ausfallszeit leider doch etwa drei Monate, so Prof. Schöffl. Allerdings führt die Behandlung in der Regel zu guten Ergebnissen.
Entlastung unter anderem mit Tapen
Interessanterweise sind die Sehnen nach der Therapie oft noch nicht mit dem Knochen verwachsen. Dies führt dazu, dass die Sportler einen besseren Hebel im Fingermittelgelenk haben, da der Finger ohne Ringband stärker ist als mit Ringband. Die Sportler hätten also nach der Verletzung tatsächlich mehr Kraft und nicht weniger. Um die Sehne zu entlasten, wird in der Rehaphase ein spezielles biomechanisches Tape eingesetzt, das die Sehne näher zum Knochen zieht und das Ringband entlastet. Dieses Tape können die Patienten selbst anlegen, wobei es wichtig ist, die richtige Technik zu beherrschen. Eine Anleitung dazu findet sich auf dem YouTube-Kanal von Prof. Schöffl, da das korrekte Anlegen essenziell für die Wirksamkeit ist.
Bleibt der Klettersport olympisch und wenn ja, in welcher Form?
Auf die Frage, ob Klettern olympisch bleiben wird, antwortet Prof. Schöffl, dass der Sport bereits in Japan und Paris olympisch gewesen ist und dies voraussichtlich auch in Los Angeles der Fall sein wird. Danach müssten neue Entscheidungen getroffen werden. Der Wettkampf in zwei getrennten Disziplinen, Speedclimbing und Bouldern & Lead (seilfreies Klettern und Klettern am Seil), wie er in Paris ausgetragen wurde, wird vermutlich in dieser Form fortgeführt. Dabei betont Prof. Schöffl, dass diese beiden Disziplinen aus unterschiedlichen Schulen kommen und nie richtig zusammengepasst hatten. In Paris wurden sie zum Wohle der Athleten wieder getrennt, was sich bewährt hat.
Wir danken Prof. Dr. Volker Schöffl für das interessante Gespräch, das wir beim Symposium Sport & Medizin 2023 am Gardasee aufgenommen haben.
Prof. Dr. med. Volker Schöffl ist Leitender Arzt der Sektion Sportorthopädie, Sporttraumatologie, Sportmedizin und Chirurgie der oberen Extremität am Klinikum Bamberg. Darüber hinaus ist er unter anderem Mannschaftsarzt der Deutschen Sportkletter-Nationalmannschaft.
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