E-Scooter, E-Bikes und Fahrräder – typische Unfälle und Verletzungsmuster

12. Mai, 2023

E-Scooter wurden in Deutschland im Juni 2019 als sogenannte „Elektrokleinstfahrzeuge“ zugelassen und haben sich besonders in Großstädten – neben Fahrrädern und E-Bikes – als neues Fortbewegungsmittel etabliert. Laut einer Schätzung von Statista1 werden im Jahr 2022 voraussichtlich 9,9 Millionen Menschen in Deutschland einen E-Scooter-Sharing-Dienst genutzt haben. E-Bikes gibt es dagegen in größerer Menge seit ca. 2005, während das Fahrrad bereits in den 60er Jahren seinen Durchbruch als beliebtes Fortbewegungsmittel geschafft hat.

Unfallhäufigkeit – was sagen die offiziellen Statistiken?

Laut dem Statistischen Bundesamt2 sind im Jahr 2021 in Deutschland 325.691 Menschen im Straßenverkehr verletzt oder getötet worden. Im Vergleich zu PKW-Fahrern (50%), Fahrradfahrern (21%) und anderen Verkehrsteilnehmern waren weniger als 2% der Verunglückten E-Scooter-Fahrer. Auch wenn diese Zahl gering erscheint, so handelt es sich immerhin um 4.882 teilweise schwer verletzte Menschen, von denen 2021 unglücklicherweise fünf an ihren Verletzungen starben.

Eine Studie gibt Aufschluss über Unfallhäufigkeiten und Verletzungsmuster

In einer prospektiven Vergleichsstudie3, die Anfang 2022 in der Zeitschrift „Unfallchirurg“ publiziert wurde, wurden an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Uni-Klinikums Essen vom 15.06.2019 bis 31.10.2020 alle Personen erfasst, die entweder mit E-Scooter, E-Bike oder Fahrrad einen Unfall erlitten hatten und sich in der universitären Notfallaufnahme vorgestellt hatten. Zweck der Studie war es, typische Verletzungsmuster zu erkennen und daraus Präventionsmöglichkeiten abzuleiten.

Zusätzlich wurde im Rahmen dieser Studie untersucht, ob die tatsächlichen Patientenzahlen mit den Unfallstatistiken des Statistischen Bundesamtes übereinstimmen. Dafür wurde bei allen aufgenommenen verunfallten Patienten mit Hilfe einer Telefonabfrage geprüft, ob die Unfälle auch polizeilich erfasst worden waren. Es wurde festgestellt, dass 73% der 68 E-Scooter-Unfälle, die in die Studie aufgenommen waren, polizeilich nicht erfasst worden waren. Die Autoren gehen daher von einer hohen Dunkelziffer an Unfällen aus, die in den Notfallzentren behandelt werden müssen, aber in den offiziellen Statistiken gar nicht vorkommen.

Wer sind die typischen E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer?

Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 68 verunfallte E-Scooter-Fahrer behandelt. Sie waren signifikant häufiger männlichen Geschlechts (61,8% männlich und 38,2% weiblich), und das mittlere Alter dieser Patientengruppe lag geschlechtsübergreifend bei 31,1 Jahren. Auch standen 11,8% der E-Scooter-Fahrer unter Alkoholeinfluss. Wiederum 50% dieser alkoholisierten Fahrer wurden mit einem ISS-Score (Injury Severity Score) von ≥16 als Schwerverletzte klassifiziert.

Was unterscheidet nun Unfälle und Verletzungsmuster von E-Scootern im Vergleich zu E-Bikes und Fahrrädern? Die oben genannte Studie3 hatte insgesamt 458 Patienten erfasst, davon waren 68 E-Scooter-Fahrer, 34 E-Bike-Fahrer und 356 Radfahrer.

Einige Unterschiede zwischen den Populationen sind auffällig: Nur einer der E-Scooter-Fahrer trug einen Helm, während gut die Hälfte der E-Biker (52,9%) und der Radfahrer (53,3%) mit einem Helm geschützt waren. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den Verletzungen wider, so erlitten E-Scooter-Fahrer am häufigsten eine Kopfverletzung.

Lt. der o.g. Studie gibt es in den drei Gruppen auch Unterschiede bezüglich der Unfallursachen. Die meisten E-Biker und Radfahrer gaben an, auf Straßenbahnschienen ausgerutscht zu sein. Bei den E-Scootern war die häufigste Ursache eine Kollision mit einem Bordstein. Die Autoren erklären sich diesen Unterschied damit, dass die großen und schmalen Räder der Fahrräder öfter und leichter in den Straßenbahnschienen hängen bleiben, während die kleineren und breiteren Räder der E-Scooter sich mit Bordsteinen schwertun.

Unterschiede in Alter und Gesundheitsstatus: E-Scooter-Nutzer im Durchschnitt jünger und gesünder

Was das Alter und den Gesundheitsstatus betrifft, so unterschieden sich die in die Studie eingeschlossenen Personen nach Alter und Vorerkrankungen (VE) deutlich:

  • Die E-Scooter-Fahrer waren die jüngsten und gesündesten: Sie hatten ein mittleres Alter von 31,1 Jahren und nur 10,3% von ihnen hatten Vorerkrankungen mit keiner oder geringer Einschränkung des täglichen Lebens.
  • Die E-Bike-Fahrer waren die ältesten, zudem waren sie mit mehr Vorerkrankungen belastet: Das mittlere Alter lag bei 50,5 Jahren und 38,2% von ihnen hatten Vorerkrankungen mit keiner oder geringer Einschränkung des täglichen Lebens.
  • Im Mittelfeld lagen die Radfahrer: Ihr mittleres Alter lag bei 37,1 Jahren und 17,1% von ihnen litten an Vorerkrankungen, allerdings auch nur mit keiner oder geringer Einschränkung des täglichen Lebens.
  • Gruppenübergreifend gab es keine Patienten, die Vorerkrankungen mit starker Einschränkung des täglichen Lebens hatten.

Welche Verletzungen sind typisch für E-Scooter-, E-Bike- und Fahrradunfälle?

Bei der Auswertung nach Körperregion (siehe Tabelle) fällt als Erstes auf, dass über alle drei Patientengruppen hinweg Verletzungen an Kopf/HWS am häufigsten waren, allerdings waren sie beim E-Scooter und beim E-Bike wesentlich häufiger als beim normalen Fahrrad.

Am zweithäufigsten waren – über alle drei Fortbewegungsmittel hinweg – die oberen Extremitäten. Die Verletzungen in diesem Bereich sind in der Gruppe der Fahrradfahrer sehr viel höher als in den beiden anderen.

An dritter Stelle standen die Verletzungen an den unteren Extremitäten. E-Scooter und E-Biker waren in etwas gleich häufig betroffen, nur die Fahrradfahrer erlitten in dieser Körperregion weniger Verletzungen.

Es gab nur wenige Verletzungen an der Wirbelsäule (ohne HWS), am Thorax oder Abdomen.

Die häufigsten Verletzungsarten waren in allen drei Gruppen ähnlich: gruppenübergreifend standen an erster Stelle Prellungen/Distorsionen (durchschnittlich 45,6%), gefolgt von Frakturen (durchschnittlich 40,2%) und Riss-Quetsch-Wunden (durchschnittlich 13,5%). Eine Luxation erlitten lediglich 7 Patienten (ca. 2%) in der Gruppe der Fahrradfahrer.

Was die einzelnen Körperteile betrifft, so gab es einige erstaunliche Besonderheiten:

  • Schulter- und Oberarmverletzungen kamen gehäuft nur bei den Fahrradfahrern vor.
  • Vergleichsweise sehr wenige der E-Bike-Fahrer hatten eine Handverletzung erlitten.
  • Verletzungen an Hüfte/Oberschenkel gab es lediglich einige wenige in der E-Biker-Gruppe.
  • Auffällig ist außerdem die relativ hohe Rate an Knieverletzungen nach Unfällen mit dem E-Scooter.

Tabelle: Vergleich verletzte Körperteile und -regionen (adaptiert nach Meyer, HL., Kauther, M.D., Polan, C. et al.3)

Take-Home Message

Es ist möglich, dass nicht alle Unfälle mit E-Scootern, E-Bikes und Fahrrädern in den offiziellen Unfallstatistiken abgebildet sind. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den Krankenhäusern wesentlich mehr Unfälle behandelt werden müssen, als statistisch bzw. polizeilich erfasst werden.

Die drei Patientengruppen – E-Scooter-, E-Bike- und Radfahrer – wiesen ein unterschiedliches Altersprofil, andere Vorerkrankungen und Verletzungen auf.

Bei E-Scooter-Fahrern ist der zweithöchste Anteil an Schwerverletzten und der höchste Anteil an Kopfverletzungen im Vergleich zu E-Bikern und Radfahrern zu sehen. Die Studienärzte vermuten, dass die hohe Verletzungsrate auf den Elektro-Antrieb, das häufigere Fahren unter Alkoholeinfluss und das Nicht-Tragen eines Helms zurückzuführen sind.

Die Autoren empfehlen bei E-Scootern eine Helmpflicht einzuführen, insgesamt mehr Alkoholkontrollen durchzuführen und den Ausbau von Fahrradwegen voranzutreiben.

1Statista, E-Scooter-Trend flacht langsam ab; Infografik: E-Scooter-Trend flacht langsam ab

2 Statistisches Bundesamt, Online-Pressegespräch „Die neue Zweirad-Mobilität: Zum Unfallgeschehen mit Pedelecs und E-Scootern“, Wiesbaden, 12. Juli 2022, Destatis - Onlinepressegespräch Pedelecs und E-Scooter

3 Meyer, HL., Kauther, M.D., Polan, C. et al. E-Scooter‑, E-Bike- und Fahrradverletzungen im gleichen Zeitraum – eine prospektive Vergleichsstudie eines Level-1-Traumazentrums. Unfallchirurg (2022). https://doi.org/10.1007/s00113-021-01136-