Nach Achillessehnen-OP: Frühe Mobilisierung unter Belastung – frühe Heilungsreaktion?

18. Dez, 2023

Nach wie vor besteht kein Konsens über die optimale postoperative Rehabilitation nach einer akuten Achillessehnenruptur. Kontrovers diskutiert wird vor allem der Bewegungsumfang (ROM), die Höhe der Belastung und die Ruhigstellung während der Reha-Phase. Bisher wurden aber die zugrunde liegenden Mechanismen einer frühen postoperativen Mobilisierung nicht geklärt.

Laut der vorliegenden Studie des Karolinska University Hospitals1 berichten zwar unterschiedliche Studien über positive Effekte einer frühen funktionellen Gewichtsbelastung (FWB, Functional Weight Bearing), allerdings sind die zugrunde liegenden Mechanismen und die Frage, wie FWB die Einheilung der Achillessehne beeinflussen kann, noch nicht geklärt. Verschiedene Forschungsergebnisse scheinen zu bestätigen, dass eine Immobilisierung sowohl die Stoffwechselaktivität als auch die Kollagenproduktion reduziert. Dieser Effekt kann jedoch durch eine frühe funktionelle Mobilisierung wieder ausgeglichen werden.

Die Autoren stellten daher die Hypothese auf, dass nach einer Rekonstruktion der Achillessehne mit Hilfe von FWB die Metaboliten-Konzentrationen gesteigert werden können, was wiederum zu einer verstärkten Kallusbildung und insgesamt zu einem besseren funktionellen Ergebnis führen kann. Ziel der Studie war es daher, die Zusammenhänge zwischen FWB und Metaboliten-Konzentrationen mit Hilfe einer Mikrodialyse und funktionellen Tests zu untersuchen und nachzuweisen.

Kurz und knapp: Die wichtigsten Ergebnisse

  • Im Vergleich zur Immobilisierung wurde durch eine direkte postoperative Gewichtsbelastung und funktionelle Mobilisierung der Achillessehne ein schnellerer und verbesserter Heilungsverlauf erreicht.
  • Die Gewichtsbelastung führte zu einer Hochregulierung von Glutamat, wodurch eine frühere Sehnenheilung ausgelöst wurde.
  • Glutamat könnte sich als Marker für die Kollagen-I-Synthese und für bessere funktionelle Outcomes etablieren.

Studien-Design

Die prospektive, randomisierte und kontrollierte Studie (RCT) wurde am Karolinska University Hospital in Stockholm zwischen November 2013 bis November 2014 durchgeführt. Design und Berichterstattung erfolgten im Einklang mit den CONSORT-Richtlinien. Die Studienpopulation umfasste insgesamt 56 Personen (6 weibliche und 50 männliche Patienten, mittleres Alter: 40,1 Jahren) mit einseitiger akuter Achillessehnenruptur. 29 Personen wurden der Immobilisierungsgruppe (IMM-Gruppe) und 27 der Mobilisierungsgruppe (FWB-Gruppe) randomisiert zugeteilt. Alle Personen wurden innerhalb einer Woche nach Trauma von spezialisierten Unfallchirurgen des Universitätskrankenhauses ambulant und unter Lokalanästhesie operiert. Zwei Wochen nach der OP wurden die Sehnen der Probanden einer Mikrodialyse unterzogen.

Nachbehandlung in der FWB-Gruppe

Die FWB-Gruppe erhielt postoperativ eine Orthese (VACOped®, OPED GmbH, Deutschland) mit einstellbarer Range of Motion (ROM) des Fußgelenks. Unmittelbar nach der OP wurde die funktionelle Mobilisierung eingeleitet: In Woche 1 und 2 war eine Plantarflexion von 15°–30° erlaubt, in Woche 3 bis 6 wurde der plantare Bewegungsumfang auf 5°–30° erhöht. Während des Tragens der Orthese war eine Vollbelastung mit Krücken und das Ausführen von Bewegungsübungen erlaubt. Zusätzlich wurden täglich eine Stunde Bewegungsübungen ohne Belastung und ohne Orthese empfohlen.

Nachbehandlung in der IMM-Gruppe

Die IMM-Gruppe erhielt einen konventionellen Unterschenkelgips mit dem Knöchel in 30° Spitzfußstellung. Zwei Wochen postoperativ wurde der Gips durch einen abnehmbaren Walker ersetzt (Aircast® Standard-Walker, DJO International, Surrey, UK). In den Wochen 3 bis 6 standen drei Fersenkeile zur Verfügung, dabei wurde jede Woche ein Keil entfernt. Volle Belastung war erlaubt mit Krücken und ab dem Tragen des Walkers. Täglich eine Stunde Bewegungsübungen ohne Belastung und ohne Walker wurden empfohlen.

Outcome-Variablen

Mikrodialyse (2 Wochen post-OP):

  • Metabolitengehalt (Glutamat, Glucose, Glycerol, Laktat, Pyrovat und Laktat-Pyrovat-Ratio)
  • Prokollagen-Marker (Prokollagen Typ I und III und Protein-Gehalt)

Funktionelles Outcome:

  • ROM (2 Wochen post-OP)
  • Muskelausdauertest (6 und 12 Monate nach OP)
  • Limb-Symmetry-Test (Heelrise-Test)

Abb.: In den mit früher Mobilisierung und Belastung behandelten AS-Rupturen konnten signifikant höhere Glutamat-Levels gemessen werden.

Ergebnisse zwei Wochen post-OP

Veränderungen der Metaboliten-Werte in der FWB- vs. der IMM-Gruppe

  • In den heilenden AS waren die Glutamat-Werte in der FWB-Gruppe im Vergleich zur IMM-Gruppe signifikant erhöht. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei allen anderen Metaboliten zwischen der FWB- und der IMM-Gruppe, was die heilenden Sehnen betrifft.
  • Bei den intakten Sehnen hingegen gab es bei allen Metaboliten keine signifikanten Unterschiede zwischen der FWB- und der IMM-Gruppe.

Veränderungen bei den für die Kallusbildung zuständigen Markern

  • In den heilenden AS konnten signifikant höhere Konzentrationen von Prokollagen III N-Terminal Propeptid (PIIINP) im Vergleich zu den intakten AS festgestellt werden, und zwar sowohl in der IMM- als auch in der FWB-Gruppe.
  • PINP und Proteine waren nicht signifikant unterschiedlich.
  • Es gab außerdem eine signifikante Korrelation von Prokollagen I N-Terminal Propeptid (PINP) und Glutamat in der FWB-Gruppe, jedoch nicht in der IMM-Gruppe.

Funktionelle Bewertung der verletzten Seite in beiden Gruppen im Vergleich

Die FWB-Gruppe zeigte zu Anfang der Behandlung bessere Ergebnisse. So war die Dorsalflexion des Knöchels auf der verletzten Seite in dieser Gruppe nach 2 Wochen signifikant besser als in der IMM-Gruppe. Auch der Lymb Symmetry Index (LSI) in der Dorsalflexion war bei der FWB-Gruppe ebenfalls signifikant besser. Nach 6 und 12 Monaten zeigten beide Gruppen allerdings ähnliche Ergebnisse im Heel-Rise-Test (Zehenspitzenstand-Test).

Korrelation zwischen Metaboliten und funktionellem Ergebnis

Eine signifikante Korrelation zwischen den postoperativen Glutamat-Konzentrationen und der erreichten Höhe beim Zehenspitzenstand-Test konnte 6 Monate nach der OP nachgewiesen werden. Ein Jahr postoperativ zeigte sich jedoch keine signifikante Korrelation mehr.

Diskussion

Trotz unmittelbarer Gewichtsbelastung und Mobilisierung post-OP verlängerte sich die Achillessehne nicht und führte zu einem gleichen funktionellen Langzeitergebnis im Heel-Rise-Test. Als für die Heilung relevanter Metabolit, weist die Glutamat-Konzentration bei FWB auf eine verbesserte Heilung der Achillessehne hin. Mögliche Gründe für das erhöhte Glutamat-Level können mechanische Belastung, erhöhte Durchblutung oder vermehrte Nervenaktivität durch FWB sein.

Auch wenn PINP bei FWB nicht erhöht war, deutet die signifikante Korrelation zu Glutamat darauf hin, dass FWB auch die Kollagen-I-Synthese fördert.

Abschließend unterstützt diese Studie somit eine frühe funktionelle Rehabilitation unter Belastung nach einer Achillessehnenreparatur. Sie verbessert die frühe Heilungsreaktion, und der frühe Bewegungsumfang des Sprunggelenks wird ohne das Risiko einer Achillessehnenverlängerung verbessert.

Quellenangaben

1Valkering, K.P., Aufwerber, S., Ranuccio, F. et al. Functional weight-bearing mobilization after Achilles tendon rupture enhances early healing response: a single-blinded randomized controlled trial. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 25, 1807–1816 (2017). https://doi.org/10.1007/s00167-016-4270-3

 

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