Von der Olympiade bis zu RED-S: Interview mit Leichtathletik-Verbandsärztin Dr. Christine Kopp
22. Apr, 2024Im Rahmen unserer Veranstaltung „Sport & Medizin 2023“ am Gardasee sprachen wir mit Dr. Christine Kopp. Dr. Kopp begleitet als Verbandsärztin für Innere Medizin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zahlreiche Sportveranstaltungen. Dabei ist sie nicht nur für die Athletinnen und Athleten zuständig, sondern auch für das Begleitpersonal, wie z.B. Trainerinnen und Trainer. Da es immer wieder zu Notfällen kommen kann, ist es laut Dr. Kopp wichtig, die notwendigen Geräte wie z.B. ein Notfall-EKG immer im Gepäck zu haben. Als internistische Verbandsärztin sei es wichtig, auf alles vorbereitet zu sein.
Dr. Kopp berichtet auch von den besonderen Herausforderungen bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio, die während der Corona-Pandemie stattfanden. Insbesondere die Isolation habe den Athletinnen und Athleten zu schaffen gemacht. Besonders schwierig sei die Zeit im Vorbereitungscamp im Süden Japans gewesen, da das Team das Hotel nicht verlassen durfte und die Situation insgesamt sehr angespannt war. Während der Wettkämpfe in Tokio war es dann leichter, da man sich im olympischen Dorf frei bewegen konnte.
Wir befragten Dr. Kopp auch zu einem ihrer Spezialgebiete, dem Relativen Energiedefizit im Sport, kurz RED-S. Einfach ausgedrückt bedeutet RED-S, dass die Energieaufnahme nicht mit dem Energiebedarf in Einklang steht. Die Symptome sind vielfältig: Essstörungen, verminderte Knochendichte (evtl. mit Ermüdungsbrüchen), Untergewicht, häufige Infekte, hormonelle Probleme.
Bei Verdacht auf RED-S ist es laut Dr. Kopp sehr wichtig, dass die Betroffenen rechtzeitig untersucht und behandelt werden. In Tübingen wurde deshalb 2019 eine Notfallambulanz mit RED-S-Sprechstunde als Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet, in der alle notwendigen medizinischen Disziplinen gebündelt sind und rechtzeitig gehandelt werden kann.
Der Umgang mit RED-S ist für Sportler und Sportlerinnen nicht einfach, zumal sie sich sehr oft über ihren Körper definieren und bestimmten sportlichen Vorbildern nacheifern. Dr. Kopp erklärt, dass jeder Körper anders ist und es z.B. sein kann, dass Sportler mit geringem Körpergewicht gute Leistungen erbringen können, während andere davon krank werden.
Für Dr. Kopp ist es wichtig, dass gefährdete Athleten nicht erst dann behandelt werden, wenn sie bereits eine Essstörung haben. Prävention und Aufklärung sind hier sehr wichtig, auch das Trainingspersonal sollte mit ins Boot geholt werden. Es muss deutlich gemacht werden, welche schwerwiegenden Folgen Untergewicht haben kann. Übrigens ist RED-S nicht nur im Profisport verbreitet, sondern auch im Breitensport. Es kommen auch Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportler in die RED-S-Sprechstunde, die meist von ihrem Hausarzt oder Gynäkologen überwiesen werden.
Herzlichen Dank an Frau Dr. Kopp für das sehr interessante und informative Gespräch!
Dr. Christine Kopp ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Sportmedizin und Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Des Weiteren arbeitet sie in der Ambulanz Kadersportler, ist Verbandsärztin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV und Mitglied in der Medizinischen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Hier finden Sie weitere Informationen über die RED-S-Sprechstunde.
Wenn Sie mehr über RED-S erfahren möchten, lesen Sie hier unseren Blog-Beitrag RED-S: Relativer Energiemangel im Sport durch zu viel Training und zu geringe Kalorienaufnahme.