Ruhigstellung bei distaler Radiusfraktur – neue Studie sieht Vorteile bei modernen Orthesen
10. Mär, 2023Die distale Radiusfraktur (DRF), ein handgelenksnaher Bruch der Speiche, ist mit 240 pro 100.000 eine der häufigsten Frakturen und daher im klinischen Alltag von großer Bedeutung. Spitzenwerte bei den DRF-Raten von bis zu 340-500 Fällen pro 100.000 Personen besetzen jüngere (5-14 Jahre) und ältere Menschen (>50 Jahre) [1,2], wobei bei älteren Patienten die Frakturen meist mit Osteoporose verbunden sind, was sowohl die chirurgische Behandlung als auch die Nachsorge erschweren kann [3].
Obwohl in früheren Studien die Vorteile von Handorthesen bereits nachgewiesen wurden, konnten sie sich in der klinischen Praxis bisher nicht durchsetzen. Mit Fokus auf der Patientenzufriedenheit haben sich Klopfer et al. in der vorliegenden Studie der Frage angenommen, wie die neueste Generation von Handorthesen bei isolierten distalen Radiusfrakturen nach Reposition und nach palmarer Plattenosteosynthese im Vergleich zur Standardversorgung mit Gips abschneidet.
Der Therapie-Standard bei der distalen Radiusfraktur
Die chirurgische Therapie ist bei dislozierten Frakturen die etablierte Behandlung und wird in den letzten Jahren immer häufiger durchgeführt [4-6]. Sowohl prä- als auch postoperativ wird in der Regel zumindest eine kurzzeitige Ruhigstellung durchgeführt.
Komplikationen bei der Behandlung von DRF sind mit geschätzten Raten von 3-36 % [7-9] keine Seltenheit, vor allem kann es bei offenen Frakturen häufig (<44%) [10] zu Wundheilungsstörungen und Infektionen kommen. Auch Nervenläsionen treten immer wieder auf (<10%) [11].
Eine standardmäßige Ruhigstellung ist sowohl nach geschlossener Reposition als auch nach Operation erforderlich, dabei erfolgt diese heute in der Regel immer noch mit Gips. An dieser Vorgehensweise hat sich seit vielen Jahren wenig geändert. Gelegentliche Versuche, auf moderne Orthesen umzusteigen, waren trotz guter Forschungsergebnisse in der Regel nicht erfolgreich. Als Gründe werden u.a. Kostenunterschiede, aber auch praktische Erwägungen im Klinikalltag genannt [12,13]. Auch wurde von Einzelfällen sekundärer Luxationen bei der Ruhigstellung mit Orthesen berichtet [14].
Allerdings haben Orthesen auch einige Vorteile im Vergleich zum klassischen Gips:
Für das medizinische Personal ist das Anlegen eines Gipsverbandes zeitaufwendig, personalintensiv und mitunter herausfordernd. Im Vergleich dazu ist eine moderne Orthese einfach anzulegen, ermöglicht eine unkomplizierte Röntgenkontrolle und ist dennoch in der Qualität der Ruhigstellung mit dem Goldstandard-Gips vergleichbar.
Aus Sicht des Patienten sollte eine moderne Orthese einfach anzuwenden sein, eine Mobilisierung der freien Gelenke ermöglichen und ein besseres Hygienegefühl vermitteln.
Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Behandlungsergebnisse von operierten DRF-Patienten zu vergleichen, deren Frakturen prä- und postoperativ unterschiedlich ruhiggestellt wurden – entweder mit moderner Orthese oder mit klassischem Gipsverband.
Studien-Design
Die monozentrische, randomisierte, kontrollierte klinische Studie wurde zwischen Dezember 2017 und August 2019 am BG Traumazentrum Tübingen durchgeführt. Eingeschlossen waren 50 weibliche und männliche Studienteilnehmer im Alter zwischen 18 und 80 Jahren, die eine DRF mit einer AO-Klassifikation 23-A2 bis C3 erlitten hatten und für eine Reposition und isolierte palmare Plattenosteosynthese vorgesehen waren. Die Patienten wurden dann nach dem Zufallsprinzip der Orthesen-Gruppe (OG) oder der Kontrollgruppe zugewiesen. Die Abbrecherquote lag bei 16%, Hauptgrund dafür war eine Änderung im Behandlungsplan, z.B. die Entscheidung, wegen erhöhter Instabilität einen Fixateur externe zu verwenden.
Zur Bewertung wurden folgende Fragebögen und Messungen herangezogen:
- Fragebogen zur Patientenzufriedenheit
- Dokumentation des Zeitaufwands beim Anlegen des Gipsverbands bzw. der Orthese
- Klinische Scores (DASH-Fragebogen, SF-36-Fragebogen)
- Messung der Range of Motion (Bewegungsumfang)
- Messung der Griffkraft
- Röntgenbilder
- Chirurgen-Fragebogen zur Passform und dem Auftreten möglicher sekundärer Luxationen
Als primärer Endpunkt wurde dabei die Patientenzufriedenheit definiert, als sekundäre Endpunkte wurden die Stabilität der Reposition, die Wiedererlangung der Funktionalität des Armes und die für das Anlegen benötigte Zeit festgelegt.
Entsprechend der Standardbehandlung der Klinik, wurde der betroffene Unterarm zunächst mit Hilfe von Extensionshülsen aufgehängt, unter Zug gesetzt und anschließend reponiert. Nach erfolgter Reposition wurde der Arm entweder mit einem zirkulären Gips oder einer Orthese (OPTIVOhand, OPED GmbH) versorgt bzw. ruhiggestellt. Nach Aufhebung des Zugs wurde eine weitere Röntgenaufnahme angefertigt. Wenn der Verdacht auf eine intraartikuläre Fraktur bestand, wurde eine Computertomographie (CT) durchgeführt.
Foto © Tim Klopfer, 2023
Zusammenfassung der Ergebnisse
- Die Orthesen-Gruppe erwies sich im Hinblick auf die Patientenzufriedenheit, die Stabilität der Reposition sowie die klinischen Scores DASH und SF-36 als gleichwertig mit der Gipsbehandlung.
- Die Orthesen-Gruppe war in Bezug auf die persönliche Hygiene (p=0,011), die Handhabung (p=0,008) und die bessere Anpassungsfähigkeit (p=0,013) der Kontrollgruppe überlegen.
- Für das Anlegen der Orthese wurde signifikant weniger Zeit benötigt: Beim Gips waren es 7 min 30 s (SD 2 min 32 s), bei der Orthese 2 min 5 s (SD 1 min 38 s). Beim Gipsverband wurde die für das Aushärten und Spalten des Gipses benötigte Zeit nicht mit einbezogen.
- Auch war in der Orthesen-Gruppe die Detailqualität bei der Röntgenkontrolle in der lateralen Projektion in keiner Weise eingeschränkt, in der posterior-anterioren Ansicht nur sehr gering. Darüber hinaus hatte die Verwendung der Orthese keinen Einfluss auf die CT-Aufnahmen (keine Metallartifakte).
Take-Home Message
- Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass sowohl die prä- als auch die postoperative Reposition mit Orthese aufrechterhalten werden kann und dass es keine Nachteile gegenüber dem derzeitigen Goldstandard Gipsverband gibt.
- Die Orthese ermöglicht ein schnelles und einfaches Anlegen, Anpassungsmöglichkeiten während der Therapie, eine bessere Körperhygiene, und kann die Arbeitsbelastung des Krankenhauspersonals reduzieren.
- Die Orthese ermöglicht des Weiteren auch eine umfassende Röntgendiagnostik.
- Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine moderne Orthese mehrere Vorteile gegenüber dem klassischen Gipsverband aufweist und sich daher im klinischen Alltag etablieren könnte.
Studienzusammenfassung basierend auf
Outcome Analysis of Distal Radius Fracture with Orthosis Versus Cast Immobilization after Palmar Plate Osteosynthesis: A Randomized Controlled Study
Tim Klopfer, Philipp Hemmann, Verena Rupprecht, Fabian Stuby, Ulrich Stöckle and Adrian Meder
J. Pers. Med. 2023, 13(1), 130; https://doi.org/10.3390/jpm13010130
Quellenangaben
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