In Bewegung bleiben – was tun gegen die Reha-Lücke

27. Jan, 2023

Nach einer Verletzung bzw. OP hat die Nachsorge – neben Diagnostik und Therapie – einen hohen Stellenwert. Durch verschiedene Reha-Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Funktionalität der betroffenen Körperregion zügig wiederhergestellt wird und die Patientin oder der Patient wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren können. Leider entstehen aber zu oft Nachbehandlungslücken, welche die Genesung unnötig verzögern.

Nach einem Trauma oder einer OP sollte früh – abhängig von der aktuellen Stabilität der verletzten oder operierten Körperregion – mit einer physiotherapeutischen Mobilisation und Beübung begonnen werden. Mit dieser frühen Mobilisation erreicht man nicht nur das schnelle Wiedererlangen der Beweglichkeit und Belastbarkeit, sie hat auch viele andere Benefits, so wird z.B. das Herz-Kreislauf-System wieder angeregt und andere Maßnahmen, wie z.B. eine Thromboseprophylaxe, können eingespart oder verkürzt werden.

Bei stationär aufgenommenen Patienten werden in der Regel sofort erste Nachbehandlungsmaßnahmen ergriffen. So ist z.B. in den Behandlungsrichtlinien der DGOU von 20191 vorgesehen, dass nach einer Sprunggelenks-OP die Patienten bereits ab Tag 1 ihres Krankenhausaufenthaltes (schmerzabhängig) aktiviert und auch zum Eigentraining angeleitet werden.

Von der Klinik in die Reha-Lücke

Nach der Entlassung ist aber selten ein direkter Übergang von der Klinik in die Anschlussheilbehandlung (AHB) in einer Reha-Klinik möglich, im Durchschnitt müssen Patienten zwei Wochen warten, bis sie einen Reha-Platz bekommen.

Nach weniger schweren Verletzungen, für die lediglich eine ambulante Physiotherapie angezeigt ist, entstehen noch längere Wartezeiten. Laut einer Befragung des Verbandes Physikalische Therapie (VPT) unter rund 2.000 Physiotherapeutinnen und -therapeuten müssen in gut 50% der Praxen die Patienten im Durchschnitt drei Wochen auf einen Termin warten. Noch schwieriger ist es bei nicht mobilen Patienten: Zwei Drittel der Praxen haben angegeben, dass ihre Patienten vier Wochen oder länger auf einen Hausbesuch eines Physiotherapeuten warten müssen.2

Gerade in diesen kritischen Wartephasen entsteht leider viel zu oft eine fatale Unterbrechung in der Nachbehandlung, denn in dieser Zeit werden dann oft gar keine rehabilitativen Maßnahmen ergriffen. Zu viel Zeit verstreicht, und mit dem Abwarten riskieren wir eine unnötige Verlängerung der Rekonvaleszenz, und die schleppende oder gar fehlende Mobilisation kann zu dauerhaften Beschwerden wie z.B. Kontrakturen führen. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die sogenannte immobilisationsbedingte Dekonditionierung. Durch die Einschränkungen nach einer OP oder einem Unfall verliert die Patientin oder der Patient das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und reagiert mit einem Schonverhalten, was sich sehr negativ auf die Rekonvaleszenz auswirken kann.

All diese Faktoren führen zu einer längeren Genesungsphase und einer späteren Rückkehr an den Arbeitsplatz.

 

Am meisten trifft es kranke und nicht mobile Patienten

Besonders Patientinnen und Patienten mit mittleren bis schweren Grunderkrankungen und schlechter körperlicher Verfassung müssen im Auge behalten werden. Sie tun sich in der Regel schwer, Übungen, die sie eventuell in der Klinik erlernt haben, zu Hause eigenständig fortzuführen. Eventuell fehlen ihnen auch die Kompetenzen, sich aktiv zu informieren und sich dafür einzusetzen, möglichst schnell Termine bei einer Physiotherapie-Praxis oder einer Reha-Klinik zu bekommen. Sie benötigen daher unbedingt die Unterstützung der Kliniken, Niedergelassenen, Hausärzte und Physiotherapeuten – und natürlich ihrer Angehörigen.

Im Unterschied dazu verfügen aktive und sportliche Patienten mit unkomplizierten Verletzungen und/oder OPs in der Regel über eine hohe Selbstmotivation, meisten organisieren sie sich ihre Rehabilitation und ihr Training aktiv selbst. Aber auch sehr motivierte Patienten haben oft Schwierigkeiten, zeitnah Krankengymnastik-Termine zu bekommen, sodass sie langsamer fit werden und deshalb auch später an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.

Was können wir tun, um die Reha-Lücke zu schließen?

Der Personalmangel im Gesundheitswesen ist sicherlich der größte Faktor, den es langfristig zu beheben gilt.

Aber auch einfach umsetzbare Maßnahmen können helfen:

  • Solange die Patienten in der Klinik sind, soll diese Zeit für die ersten Reha-Maßnahmen intensiv genutzt werden, die Unterlagen zu den wichtigsten Übungen sollten den Patienten mit nach Hause gegeben werden.
  • Viele Kliniken bieten auf ihrer Website inzwischen Übungs-Videos an. Sie sind anschaulicher als Zeichnungen oder textliche Beschreibungen, außerdem ist die gemeinsame Ausführung der Übungen mit einem Video-Physiotherapeuten wesentlich motivierender, macht einfach mehr Spaß und führt zu höherer Compliance!
  • Eine gutsitzende und individuell anpassbare Orthese gibt den Patientinnen und Patienten Sicherheit und Selbstvertrauen und fördert somit die Akzeptanz von physiotherapeutischen Übungen. Bei fortschreitender Besserung können Prothesen auch fürs Training abgenommen werden und dann problemlos wieder angelegt werden.  
  • Intelligente digitale Assistenten in Form von Apps gehören zu den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), die ganz allgemein die Patienten-Compliance fördern. Für den Bereich Orthopädie und Sportmedizin gibt es nun auch Apps, die mit Hilfe von Sensoren den Status quo der Patienten erfassen, einen personalisierten Trainingsplan erstellen und die Fortschritte des Trainings erfassen können. So hält man Patienten bei der Stange!
  • Aktive Bewegungsschienen für Knie- und Hüftgelenk ermöglichen ein regelmäßiges und schonendes Training zuhause.