Ilse Aigner und Klaus Holetschek zum politischen MedTech Talk bei OPED GmbH
16. Mai, 2023Zur Diskussionsrunde eingeladen waren Prof. Ulrich Brunner, Chefarzt Unfall-, Schulter- & Ellenbogenchirurgie am Krankenhaus Agatharied, Priv.-Doz. Dr. Dominik Pförringer, Orthopäde in München mit Schwerpunkt konservative Behandlungsmethoden & Gründer des Digital Health Summits, und Prof. Marcus Schmitt-Sody, Direktor der orthopädischen Abteilungen der Kliniken Medical Park Chiemsee und Medical Park Prien sowie Robin Thiemann, Mitglied des Verwaltungsrates der OPED AG & CFO von Ippen.Media.
Nachhaltigkeit, EU Green Deal und digitale Medizinprodukte sind in aller Munde. Aber wie kann diese Herausforderung von Gesellschaft und der MedTech-Industrie in der Praxis gemeistert werden? „Hierfür brauchen wir die Unterstützung der Politik.“, so Stefan Geiselbrechtinger, CEO von OPED GmbH und Gastgeber der Podiumsdiskussion.
Nachhaltigkeit bei der Produktion von Medizinprodukten
Nach kurzer Begrüßung und Einführung in das Thema EU Green Deal erläuterte Stefan Geiselbrechtinger die Umsetzung der Materialeffizienz am Beispiel des Kunststoff-Recyclings der Orthesen von OPED. „Beim Recycling unserer Orthesen steckt ein erheblicher Aufwand. Eine ganze Abteilung widmet sich dem Materialkreislauf. Unterstützt werden wir von einer firmenintegrierten Arbeitsgruppe von 20 Menschen mit Behinderung aus den Oberlandwerkstätten.
Wir sehen diesen Einsatz als Investition in die Zukunft der Firma und der Umwelt. Die preisliche Vertragssituation mit den Krankenkassen für recycelte Produkte ist jedoch schwierig. Einmalprodukte aus dem Ausland werden in der Abrechnung begünstigt, obwohl EU Green Deal unseren Weg sogar propagiert.“, erläuterte Geiselbrechtinger. Zustimmung fand diese Aussage bei den Ärzten. Sie bestätigten, dass der Neukauf von Einmalprodukten aus dem Ausland günstiger sei als die Sterilisation und nochmalige Verwendung von Medizinprodukten, z. B. OP-Besteck. „Im Zusammenhang mit der nochmaligen Verwendung von Medizinprodukten spielt aber nicht nur der wirtschaftliche Faktor eine Rolle.“, so Prof. Ulrich Brunner, „sondern auch der legislative im Sinne von Regularien und Haftbarkeit.“ Die Politik müsse vor allem bei den Prozessen genauer hinschauen und in Zukunft bei den einzelnen Bereichen besser differenzieren.
Nachhaltigkeit auch im Sinne der Gesellschaftsausrichtung
Der Gesundheitsmarkt ist für kapitalstarke Finanzinvestoren aus dem Ausland zu einem sehr attraktiven Ziel geworden. Das Geschäftsmodell basiert darauf, MedTech-Firmen, Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime bzw. -dienste zu kaufen, zu restrukturieren und dann wieder zu verkaufen.
„Die rein auf Profit ausgerichteten Investoren aus dem Ausland zerstören unsere Versorgungsstruktur. Wir brauchen nachhaltige Gesellschaftsausrichtungen, die sich im Medizintechnik-Markt langfristig behaupten “, erläuterte Klaus Holetschek. „Deshalb wurde bereits ein Gesetzesentwurf verfasst, der dem entgegenwirken soll.“
Digital Health als Chance für die Zukunft
Die digitalen Gesundheitsanwendungen stehen erst ganz am Anfang in der Medizin und brauchen noch einen langen Atem, bis sie auf dem Markt umgesetzt werden können. Sie funktionieren nur im Netzwerk und im Austausch der Industrie, den Ärzten und der Politik so die einstimmige Meinung der Teilnehmer. Bis eine digitale Gesundheitsanwendung jedoch im Markt zur Regelversorgung zugelassen und über die Krankenkassen abgerechnet werden kann, ist ein langwieriger Prozess. Hier trifft ein starres System, in dem lange und teure Studiennachweise gefordert sind, auf ein lernendes, sehr schnell agierendes digitales System, das rasch überholt ist. Der Markteintritt für Innovationen aus der Medizintechnik wird dadurch immer schwerer, langwieriger und teurer. Das Problem sei also nicht die Entwicklung der digitalen Produkte, sondern der Weg in das Erstattungssystem der Krankenkassen zu kommen.
Die Mediziner waren sich einig, dass KI-gesteuerte Gesundheitsprodukte nur eine Ergänzung zur ärztlichen Expertise sein können. Die Bewertung zwischen der subjektiven Empfindung des Patienten und dem digitalen Outcome einer App passen oft nicht zusammen und erfordern immer noch die Erfahrung und Einschätzung eines Arztes. Auch werden digitale Tool oft als Stand-alone-Lösung von verschiedenen Herstellern angeboten. Hier braucht es mehr Vernetzung unter den Anbietern.
Klaus Holetschek bot an, gemeinsam mit Krankenkassen und Medizinern im Rahmen eines Pilotprojektes neue Lösungsansätze zu suchen und forderte die Industrievertreter auf, die Wirksamkeit von digitalen Produkten aufzuzeigen.
Auch Ilse Aigner weiß um das Problem der Zulassung von digitalen Gesundheitsanwendungen, zeigte sich aber offen für neue Ansätze. „Vor allem im ländlichen Bereich wird die flächendeckende Patientenversorgung eine Herausforderung. Mit digitalen Lösungen, die den Fokus auf der Patientenversorgung haben, können wir viel bewegen.“, so Frau Aigner abschließend.